Vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, unsere Fragen zu beantworten. Wer sich mit dem Digital Business beschäftigt und regelmäßig in den sozialen Medien unterwegs ist, läuft auch dir früher oder später über den Weg.
Kai, stell dich doch einfach einmal kurz vor: Wer bist du? Was machst du beruflich?
Ich bin Kai Thrun. Ich blogge seit einigen Jahren. Die meisten dürften mich wohl entweder aus den frühen Jahren des Social Medias kennen oder durch das Julia Engelmann-Viral. (Anmerkung der Redaktion: Hier gibt es Informationen zum Julia Engelmann-Viral.)
Ich bin beruflich Social Media Manager, wobei ich eher den Titel „Manager digitale Kommunikation“ treffender finde. Aber Namen sind wie Schall und Rauch. Ich gebe nicht viel darauf. Ich bin seit dem Jahreswechsel Social Media Manager bei den FREIgeist Hotels nachdem ich das Phantasialand 2 Jahre lang digital begleitet habe.
Wie hast du dir dein enormes Fachwissen angeeignet? Hast du eine Qualifikation im Bereich Digital Business oder hast du dir alles learning by doing beigebracht?
Ich muss die Frage indirekt beantworten. Kurz gesagt, habe ich keine Qualifikation irgendwo abgeschlossen. Ok, ich habe mal bei der SGD den Webdesigner gemacht, aber das kann man ja nicht ernst nehmen. Ich bin seit 1996 im Netz und habe mir seitdem Wissen angeeignet. Tutorials gibt es schon seit jeher. Ich habe mir viel abgeschaut, gelernt oder adaptiert. Es gibt immer irgendwo jemanden, der auf einem Gebiet besser ist als man selbst. Den muss man finden und sich dran hängen. Dies kann zum Start ganz hilfreich sein.
Ich habe 1998 angefangen mit HTML. Dann kam PHP, MySQL, CSS und ich wurde Entwickler. Gleichzeitig habe ich ein Online-Portal geführt, was mich ins Community Management brachte, mich Photoshop lehrte und mir ein Verständnis für eine Online-Redaktion in die Wiege legte. Ich hatte also etwas Glück, wenn man schaut, welche Anforderungen heute an einen Digitalo gestellt werden. Ich habe aber einige Trends verpennt – Flash 4 oder YouTube.
Wie waren deine ersten Schritte im Social Web und welches war das erste Netzwerk, dem du beigetreten bist? Kannst du dich noch erinnern, wann das war?
Das erste Netzwerk war eine regionale Blackbox auf der man sich einwählen konnte, um Dateien auszutauschen. Danach ging es über AOL in den IRC. Im IRC war ich viel unterwegs, wir haben in den 90ern dort schon unser Online-Leben geführt. Internet-Suchtis waren wir. 24/7 gab es damals schon. Nach AOL, IRC, folgte StudiVZ, OpenBC, diverse Foren hin zum Social Media, was wir heute kennen. Das erste Netzwerk müsste somit AOL gewesen sein.
Im Vorgespräch hast du angedeutet, dass die Arbeit nur ein marginales Spektrum dessen ist, was du abbildest oder was du an Themen beackerst. Kannst du uns das näher erläutern? Welche sind DEINE Themen?
Nun, Social Media wird häufig auf das Fachliche beschränkt. Es werden die falschen Fragen gestellt, die zu falschen Antworten führen, die wiederrum maximal kurzfristige Ergebnisse liefern. Es wird nicht mehr länger gedacht als 12 Monate oder gar kürzer. Ein ewiges Rennen um den nächsten Schritt. Ich habe mich abgewendet davon, welche Funktion wann veröffentlicht wird oder ob gerade ein Beitragsformat organisch durchwinkt, wie z.B. Live-Videos. Live ist ein Thema, aber nicht meins und ich würde darauf auch keine Wette eingehen. unktionen zu kennen ist gut, aber man bewegt sich eben auch nur auf der durchführenden Ebene. Was passiert, wenn nicht mehr ist? Oder entscheidet sich gegen meine Strategie zu entwickeln, weil das Format keine organische Reichweite mehr bekommt und ich wenig Budget habe. Was passiert, wenn der Google Suchschlitz in den nächsten Jahren verschwindet?
Ich beschäftige mich inzwischen mit Menschen und menschlichem Verhalten. Jeder Community Manager hat dies irgendwann inne, weil er seine Leute kennt und weiß, wie sie ticken. Dieses Ticken sollte man weiter erkunden, nicht weil dort eine Zielgruppe ist, sondern weil wir mit Menschen agieren. Menschen haben Facetten. Gerade heute sind Klischees so obsolet. Ich habe Akademiker, Millionäre, alleinerziehende Mütter, Erwerbslose, Berufstätige, Professoren, Selfmade-Menschen und Träumer um mich herum. Mit den meisten interagiere ich aber auf völlig unterschiedlichen Leveln oder Themen, als dass ich sie in die Schublade packen könnte.
Abgesehen davon halte ich dieses, Unternehmen müssen der Zielgruppe gefallen ohnehin für großen Humbug. Menschen identifizieren sich über Marken, weil sie unsere Persönlichkeit repräsentieren und nicht umgekehrt. Und wer Marken komplett ablehnt, sagt ja auch etwas über sich aus. Ich zeige damit, wer ich bin, worauf ich Wert lege und weniger, worauf eine Firma wert legt. Aber dazu müssten sich Firmen erst einmal damit beschäftigten, wofür sie denn stehen wollen und langfristig auch so handeln. Dazu ist man aber oft nicht bereit, da es keine kurzfristigen Ergebnisse liefert, die man in einem Meeting vorzeigen kann. Blöd nur, dass der Mensch nicht kurzfristig gestrickt ist.
Nichts verändert sich so schnell wie die Social Media-Welt. Wie hältst du dich auf dem Laufenden? Wo legst du deinen Schwerpunkt?
Ich habe alle (für mich) wichtigen Quellen in meinem RSS-Reader. So bekomme ich zwischen 200-600 Headlines am Tag angespült. Diese überfliege ich, wenn ich Zeit dafür habe. Wenn nicht, dann eben nicht. Die Social Media Welt hat sich nach über 10 Jahren gesättigt. Es gibt etablierte Strukturen, etablierte Vorgehensweisen, da kommt es nicht darauf an, wenn ich mal 12 Stunden keine Nachrichten lese.
Ich lege meine Schwerpunkte darauf, ob es für meine Arbeit oder mich persönlich gerade wichtig ist. Wenn nicht, dann schaue ich es mir auch nicht an.
In der Regel schaue ich zusätzlich einmal in der Woche in den Appstore und schaue mir alle Rankings an. Ich möchte wissen, welche Trends es gerade gibt, welche Apps Umsatz machen (z.B. spielt man noch Pokemon Go?) und auf welchen Zug ich vielleicht vorzeitig aufspringen kann. Wer im Social Media Bereich unterwegs ist, darf ruhig wissen, dass es auf Musically 2 deutsche Damen gibt, die 16 Mio Follower haben. Ich muss nicht jedes Netzwerk mitmachen, aber einen Blick reingeworfen zu haben, kann nicht schaden.
Welche Social Media Tools und Devices sind für deine Arbeit wichtig? Welche Dienste nutzt du? Wie organisierst du dich?
Das wichtigste Tool ist für mich ein All-in-One-Postfach. Ob das nun Engage von Fanpagekarma, SocialHub oder BIG Connect heißt, spielt keine wesentliche Rolle. Das zentrale Element ist für mich, dass ich nichts verpasse, was an mich, meine Firma und Standorte adressiert wird. Es gibt einfach wenig Unglücklicheres als eine mittelmäßige Bewertung, die man mit einfachen Handgriffen hätte drehen können.
Danach folgen für mich die Analyse-Tools, um einen Einblick in meinen Erfolg oder Misserfolg zu bekommen. Erst dann kommen Redaktionskalender und Publishingtools, denn je nach Unternehmensgröße, brauche ich eine Software hier nur bedingt.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus? Wann schaust du das erste Mal auf dein Smartphone und wann das letzte Mal?
Ich habe zum Glück keinen typischen Arbeitstag. Ich erledige Dinge nach ihrer Priorität und helfe hier und dort aus, wenn es den Gesamtprozess beschleunigt. Dann kann es eben sein, dass ich mal die Kamera in der Hand habe, eine Bildmontage in Photoshop mache oder Ads aufsetze. Es gehört ebenfalls zu meinen Aufgaben, den Markt zu beobachten, unsere Beiträge auszuarbeiten und das eingehende Feedback zu steuern und zu verarbeiten.
Ich schaue nach dem Aufstehen auf das Smartphone, aber weniger wegen der Arbeit. Ich brauche meine Sportapp, mit der ich in den Tag starte. Ansonsten ist das Smartphone sicher ein treuer Begleiter durch den Tag, allerdings nicht mehr so intensiv. Den meisten Stress macht man sich unnötigerweise selbst. Es beruhigt übrigens ungemein, wenn man einfach nur die Benachrichtungsfunktion der -App deaktiviert. Es ist quasi lebensverändernd.
Auf welcher Social Plattform hältst du dich am liebsten auf? , , Snapchat …. ?
Eine gute Frage. Früher war das . Ich habe es geliebt. Inzwischen verbringe ich sicherlich 70% meiner Zeit auf , wenn ich in den Netzwerken unterwegs bin. Mein heimlicher Favorit ist Snapchat, wenn auch ich im Moment einfach viel zu wenig snappe. Snapchat hat noch dieses Gefühl, dass man unter sich sei. Das finde ich ganz charmant. Instagram nutze ich privat lediglich für meine Ergebnisse aus der Fotografie. Ich finde es dort aber spannend, anderen Fotografen bei der Arbeit zuzuschauen. Musiccally probiere ich immer mal aus, weil ich es unterhaltsam finde. YouTube nutze ich zur Fortbildung, konsumiere also fast nur.
Welche persönliche Eigenschaft sollte man auf alle Fälle mitbringen, wenn man in Social Media erfolgreich sein möchte?
Puh, das lässt sich so einfach gar nicht sagen. Es kommt ein wenig darauf an, welcher Strukturform ich nachgehen möchte. Ich denke aber, dass eine gesunde Selbstreflektion nicht schaden kann, um sich und Dinge besser einzuordnen. Darüber hinaus ist eine gehörige Portion Geduld erforderlich, denn nur so kommt eine Beständigkeit in die Sache. Menschen folgen anderen Menschen selten, weil sie so superduper sind, sondern weil man über eine lange Zeit etwas getan hat und dafür bekannt wird. Der Erfolg erschließt sich ja dann daraus, wie interessant es ist und wie viel Talent ich habe. Wenn ich witzig bin, habe ich es vielleicht einfacher. Ich habe als Jugendlicher immer Basketball gespielt. Ich hätte noch so hart trainieren können, mein Talent reicht leider nicht aus, um ein neuer Michael Jordan zu werden.
Nimmst du dir digitale Auszeiten?
Jaein. Ich bin am Wochenende sicherlich mal weniger online, weil der Tag voll mit Aktivitäten ist. Ich ziehe sehr selten bewusst den Stecker. Ich lasse das Smartphone einfach aus oder den Blog, Blog sein, wenn ich gerade keinen Nerv dafür habe. Ich habe meine Zeiten am Rechner reduziert, dafür nutze ich sie intensiver. Ich habe nicht mehr das Gefühl, dass ich etwas verpasse, wenn ich nicht online bin. Selbsttherapiert, wenn man so möchte.
Das möchte ich unbedingt noch sagen:
Change is hard but happiness produces speed.
Über Kai Thrun
Kai Thrun ist Pragmatiker durch und durch. Seine Vorliebe gilt der (digitalen) Kommunikation und dem menschlichen Verhalten. Er betreibt ein Blog und ist auf jedem sozialen Netzwerk unterwegs. Hier geht es zum Blog von Kai Thrun.
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